Produkteinstufung

Die rechtliche und inhaltliche Abgrenzung von Produkten aus den Bereichen Lebensmittel, Kosmetik, Arzneimittel, Medizinprodukte, Biozidprodukte und verwandten Kategorien ist essenziell, da sie unterschiedlichen Regulierungen unterliegen.

Die Abgrenzung dieser Produktkategorien basiert auf ihrem Zweck, ihrer Wirkungsweise und den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften. Eine klare Zuordnung ist essenziell, da unterschiedliche Regulierungen für Zulassung, Kennzeichnung und Vermarktung gelten. Bei Unsicherheiten kann eine Einzelfallprüfung durch Behörden (z. B. BfArM, BVL, EFSA) oder Gutachten erforderlich sein.

1. Lebensmittel

Definition (Art. 2 VO (EG) Nr. 178/2002)

Lebensmittel sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie von Menschen aufgenommen werden. Dazu gehören auch Getränke, Kaugummi und alle Stoffe, die dem Lebensmittel absichtlich zugesetzt werden.

Zweck

• Aufnahme zur Ernährung, zum Genuss oder zur Flüssigkeitszufuhr.

Regulatorischer Rahmen

• EU-Verordnung Nr. 178/2002: Allgemeine Lebensmittelrechtliche Grundlagen.
• Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB): Nationale Umsetzung in Deutschland.
• Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV): Anforderungen an Kennzeichnung und Werbung.

Abgrenzungskriterien

• Keine heilende oder präventive Wirkung im medizinischen Sinne.
• Dient nicht zur Behandlung von Krankheiten.
• Beispiel: Vitaminpräparate können als Lebensmittel gelten, wenn sie zur Ergänzung der Ernährung dienen, aber nicht, wenn sie therapeutische Dosierungen enthalten (siehe Arzneimittel).

2. Kosmetik

Definition (Art. 2 VO (EG) Nr. 1223/2009)

Kosmetische Mittel sind Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich auf den menschlichen Körper aufgetragen zu werden, insbesondere auf Haut, Haare, Nägel, Lippen oder Zähne, um diese zu reinigen, zu schützen, ihren Geruch zu beeinflussen oder das Erscheinungsbild zu verändern.

Zweck

• Ästhetische Wirkung, Hygiene oder Pflege.
• Keine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung.

Regulatorischer Rahmen

• Kosmetik-Verordnung (VO (EG) Nr. 1223/2009): Vorschriften zu Sicherheit, Kennzeichnung und Registrierung.
• Kosmetikverordnung (KosmetikV): Nationale Umsetzung in Deutschland.

Abgrenzungskriterien

• Keine medizinische Wirkung (z. B. Heilung von Hautkrankheiten).
• Beispiel: Eine feuchtigkeitsspendende Creme ist ein Kosmetikum, aber eine Creme gegen Ekzeme könnte als Arzneimittel eingestuft werden.

3. Arzneimittel

Definition (Art. 1 Nr. 2 RL 2001/83/EG und § 2 AMG)

Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind:

• Krankheiten beim Menschen oder Tier zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (Heilmittelzweck).
• die Physiologie durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung zu beeinflussen.

Zweck

• Prävention, Diagnose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten.

Regulatorischer Rahmen

• Arzneimittelgesetz (AMG): Nationales Gesetz.
• EU-Richtlinie 2001/83/EG: Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel.
• Medizinprodukte-Verordnung (VO (EU) 2017/745): Abgrenzung zu Medizinprodukten.

Abgrenzungskriterien

• Ziel: Heilung, Linderung oder Prävention von Krankheiten.
• Beispiele:
• Schmerztabletten sind Arzneimittel.
• Eine Kräutermischung ohne therapeutische Dosierung ist ein Lebensmittel.

4. Medizinprodukte

Definition (Art. 2 Nr. 1 VO (EU) 2017/745)

Medizinprodukte sind Instrumente, Apparate, Geräte, Software oder Stoffe, die für medizinische Zwecke bestimmt sind, jedoch primär durch physikalische Wirkmechanismen wirken und nicht durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Mechanismen.

Zweck

• Diagnose, Verhütung, Ãœberwachung oder Behandlung von Krankheiten.
• Ersatz oder Beeinflussung physiologischer Prozesse (z. B. Herzschrittmacher).

Regulatorischer Rahmen

• Medizinprodukte-Verordnung (VO (EU) 2017/745): Europäisches Regelwerk.
• Medizinproduktegesetz (MPG): Nationale Umsetzung in Deutschland.

Abgrenzungskriterien

• Keine pharmakologische Hauptwirkung.
• Beispiele:
• Ein Pflaster ist ein Medizinprodukt, da es mechanischen Schutz bietet.
• Eine Salbe mit heilender Wirkung ist ein Arzneimittel.

5. Biozidprodukte

Definition (Art. 3 VO (EU) Nr. 528/2012)

Biozidprodukte sind Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, schädliche Organismen durch chemische oder biologische Mittel zu zerstören, abzuschrecken oder unschädlich zu machen.

Zweck

• Kontrolle schädlicher Organismen (z. B. Insekten, Bakterien, Schimmel).

Regulatorischer Rahmen

• Biozid-Verordnung (VO (EU) Nr. 528/2012): Anforderungen an Zulassung und Verwendung.
• Chemikaliengesetz (ChemG): Nationale Umsetzung.

Abgrenzungskriterien

• Kein therapeutischer Nutzen für den Menschen.
• Beispiel: Ein Desinfektionsmittel für Oberflächen ist ein Biozidprodukt, ein Händedesinfektionsmittel für medizinische Zwecke könnte ein Arzneimittel oder Medizinprodukt sein.

6. Nahrungsergänzungsmittel

Definition (Art. 2 RL 2002/46/EG und § 1 NemV)

Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen. Sie enthalten Nährstoffe wie Vitamine oder Mineralstoffe in konzentrierter Form.

Zweck

• Ergänzung der normalen Ernährung.

Regulatorischer Rahmen

• Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB).
• Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV).

Abgrenzungskriterien

• Kein therapeutischer Zweck.
• Beispiel: Ein Vitaminpräparat in geringer Dosierung ist ein Nahrungsergänzungsmittel, eine hoch dosierte Vitamin-D-Kapsel könnte ein Arzneimittel sein.

Abgrenzungskriterien im Ãœberblick

Kriterium	Lebensmittel	Kosmetika	Arzneimittel	Medizinprodukte	Biozidprodukte
Primärer Zweck	Ernährung, Genuss	Ästhetik, Hygiene	Prävention, Heilung von Krankheiten	Medizinische Anwendung, mechanisch	Kontrolle schädlicher Organismen
Hauptwirkung	Keine medizinische	Äußerlich, keine heilende Wirkung	Pharmakologisch, immunologisch, metabolisch	Physikalisch oder mechanisch	Chemisch/biologisch
Gesetzliche Basis	VO (EG) Nr. 178/2002	VO (EG) Nr. 1223/2009	AMG, RL 2001/83/EG	VO (EU) 2017/745	VO (EU) Nr. 528/2012
Beispiele	Brot, Joghurt, Vitamine	Lippenstift, Shampoo	Antibiotika, Schmerztabletten	Kontaktlinsen, Pflaster	Insektenspray, Desinfektion